Bislang habe ich mich im Yogaraum vorrangig zu den yamas geäußert. Dies sind yogische Verhaltensleitlinien, welche am Anfang jeden Yogaweges stehen und uns Antworten auf die Frage geben:
Wie verhalte ich mich aus der Perspektive des Yoga so, dass ich meinem eigenen Wohl und dem Wohl aller Wesen diene?
Der zweite Schritt des Yogapfades sind die niyamas. Sie zeigen uns, wie wir durch achtsamen Umgang mit uns selbst zu innerem Frieden gelangen.
Die niyamas beginnen mit shauca, übersetzt Reinigung. Es geht darum, Körper und Geist sowohl innerlich als auch äußerlich rein zu halten, damit sich nichts ansammelt, was uns belastet.
Ganz basal beginnt das mit körperlicher Reinigung wie regelmäßiges Waschen und Zähneputzen. Ganz besonders wichtig erscheint den Yogis dabei das Reinhalten der Körperöffnungen, wie Nase, Ohren, Mund, Augen und Darm. Hierfür gibt es allerlei Techniken wie etwa
Nasenspülung, Ölziehen, Ohren mit Öl säubern, die Augen mit warmem Wasser auswaschen, tratak (das Starren in eine Kerze bis die Augen durch Tränenabfluss gereinigt werden) und die regelmäßige Darmreinigung.
Reinigung durch asana
Zur körperlichen Reinigung gehören auch die asanas, welche Muskeln und Bindegewebe von Verspannungen und Verklebungen befreien und die Wirbelsäule gesund halten (vorausgesetzt natürlich, wir praktizieren sinnvoll und angepasst an unseren augenblicklichen Zustand).
Darüber hinaus regen bestimmte asanas unsere Organe in ihrer Funktion an und sorgen dafür, dass Abfallprodukte besser aus dem Körper transportiert werden können.
Reinigung durch pranayama
Eine Ebene tiefer geht die Reinigung durch pranayama. Die Vertiefung und Verfeinerung des Atems fördert unsere Lebensenergie und unterstützt uns darin, kraftvoll, lebendig und mit mehr Freude durchs Leben zu gehen. Ganz pauschal könnte man sagen, dass pranayama unseren Energiekörper reinigt.
Reinigung durch pratyahara und Meditation
Unser Gedanken und Gefühle reinigen wir durch pratyahara (Zurückziehen der Sinne) und Meditation.
Den lieben langen Tag strömen Informationen in unser Gehirn, die verarbeitet werden müssen. Wenn wir uns zum Beispiel abends Zeit nehmen, in Stille zu sitzen und ohne Ablenkung unser Innenleben zu beobachten, bekommt unser Gehirn die Möglichkeit, sich zu sortieren. Das, was uns belastet, kann liebevoll betrachtet und losgelassen werden.
Das ist natürliche eine einfache und knappe Zusammenfassung dessen, was shauca auf verschiedenen Ebenen zu bewirken vermag. Doch letztlich gilt wie bei allem im Yoga:
Wichtig ist nicht, was dir jemand über Yoga erzählt, sondern was du selbst erfährst. Nur, wer die Instrumente des Yoga in seinen Alltag integriert, wird die Veränderungen wahrnehmen.
Meine Erfahrung mit shauca:
Wenn ich morgens Yoga übe, fühle ich mich danach unbeschwert und leicht. Alles ist im Fluss.
Manchmal wird mir durch die Yogapraxis auch bewusst, wo Verspannungen, verdrängte Gefühle oder Überlastungen sitzen, die mehr Zeit und Aufmerksamkeit brauchen einfordern. Und manches trage ich trotz täglicher Yogapraxis sehr lange mit mir herum. Doch irgendwann löst sich alles auf, es braucht nur Geduld und ein wenig Beharrlichkeit.
Die yogischen Reinigungsrituale (sie oben) dauern natürlich länger als eine schnelle Dusche und manchmal kostet es mich Überwindung, das komplette Programm durchzuziehen.
Da ich mir Fernsehen und Computer am Abend jedoch abgewöhnt habe, ist viele freie Zeit entstanden 🙂
Nehme ich mir neben der ausführlichen körperlichen Reinigung auch noch die Zeit, meinen Geist durch Meditation zu besänftigen, schlafe ich ein, ohne mich mit den Gedanken des vergangenen Tages herum zu quälen.
Freilich klingt das alles sehr simpel, was es mitnichten immer ist. Klar kommt es vor, dass ich trotz allem quälende Gedanken und Gefühle mit ins Bett nehme. Mancher Tag hinterlässt einfach seine Spuren, welche sich nicht mal eben „wegwaschen“ lassen“.
Nichtsdestotrotz hilft mir der sorgsame Umgang mit mir selbst dabei, auch die dunklen Seiten des Lebens besser durchzustehen. Ich bin mir selbst ein Freund, der nicht weggeht, solange ich lebe.
In diesem Sinne – viel Freude beim Reinigen 🙂
Wie immer – bei Fragen meldet euch sehr gern bei mir oder löchert euren Yogalehrer.
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