Yoga ist die Stilllegung der Tätigkeiten unseres Bewusstseins.
Oder einfacher ausgedrückt:
Yoga ist, wenn unsere Gedanken Ruhe geben.
So erklärt es uns Patanjali in seinen Yogasutrani (eine der bedeutendsten schriftlichen Quellen des klassischen Yoga) gleich im 2. Vers.
Der Zweck der gedanklichen Stille, so Patanjali weiter, ist das Erkennen unserer wahren, unsterblichen Natur.
Die wenigsten Yogapraktizierenden streben direkt dies hohe Ziel an. Eher möchten sie von ihren Rückenschmerzen befreit werden oder gelassener und mit mehr Lebensfreude durch den Alltag gehen.
Viele Menschen, die in meinen Yogaunterricht kommen, stehen unter Druck. Sie fühlen sich getrieben. Alles ist ihnen Zuviel. Frage ich nach, was genau zu viel sei, höre ich meist:
Es sind meine Gedanken, die einfach keine Ruhe geben. Sie rauben mir den Schlaf. Oft liege ich im Bett und grüble.
Ichmussnochsovielerledigen.Hoffentlichsvergesseichnichts.Ichmussunbedingtdarandenken.Was,wennichesnichtschaffe?IchmachemirSorgen.Ichbinnichtgutgenug.Waskocheichheuteabendwieder?HoffenlichwerdendieKindernichtkrank.IchdarfaufderArbeitnichtfehlen.Habeichallesrichtiggemacht?
So reihen sich Zweifel und Sorgen aneinander und werden wieder und wieder abgespult. Dieses Gewusel im Kopf laugt auf Dauer aus. Es belastet nicht nur den Kopf, sondern das ganze Körper-Seele-Geist-System.
Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Manchmal bekam ich Herzrasen von dem inneren Geschrei, das ich nicht zu besänftigen wusste.
Bis ich irgendwann eine Übung fand, die mich beruhigte. Weil sie einfach und dabei hocheffektiv ist, möchte ich sie gerne mit euch teilen.
Die Übung heißt:
Wiederholtes Singen von Sanskrit-Versen.
Um diese für uns fremd klingenden Laute zu rezitieren, müssen wir uns arg konzentrieren. Wir bringen uns im wahrsten Sinne des Wortes „auf andere Gedanken“. Unser Geist hat keine Chance mehr, destruktive Denkketten zu erzeugen, die unseren Puls hoch jagen.
Ein weiterer Vorteil dieser Übung ist, dass Sanskrit-Verse für unseren Verstand „neutrale Informationen“ sind. Sie erzeugen damit keine neue Gedankenwellen. Stattdessen beruhigen sie unser Denken.
Wenn du wissen willst, ob das auch bei dir funktioniert, probiere es aus.
Übe die ersten 6 Verse der Yogasutrani von Patanjali. Wenn du sie auswendig kannst, verfügst du über eine Methode, die dich immer und überall innerhalb weniger Sekunden mental ruhiger macht.
Wenn du dich gestresst, überfordert oder genervt fühlst, dann gönne deinen Gedanken eine Weile Pause und wiederhole diese Verse laut oder gedanklich. Wieder und wieder.
Wenn du dich dabei in einer Denkschleife verhedderst, beginne erneut bei Vers 1.
Fahre so lange fort, bis sich dein Kopf und vor allem dein Herz ein wenig beruhigt haben.
Noch ein Hinweis, bevor es losgeht:
Die ersten Zeilen sind eine kurze Einführung in das 1. Kapitel des Yogasutra. Versuche diese, ohne Text nachzusingen. Dann beginnt das eigentliche Kapitel mit dem 1. Vers. Ich habe dir jeweils eine grobe Erklärung* unter jede Zeile geschrieben.
Patanjalis Yogasutra, Kapitel 1, sutrani 1 – 6
atha yoga anushasanam (1)
Jetzt beginnt die Erläuterung des Yoga.
yogash chitta vritti nirodhah (2)
Yoga ist die Stilllegung der Tätigkeiten des Bewusstseins/ das Zur-Ruhe-Kommen der Gedanken.
tada drashtuh svarupe ‚vasthanam (3)
Dann ruht das wahre Selbst in der Erkenntnis seiner eigenen Natur/ Dann erkennen wir unsere wahre Natur reinen Bewusstseins.
vritti sarupyam itaratra (4)
Ansonsten verzerren unsere Gedanken die reine Wahrnehmung.
vrittayah panchatayyah klishtaklishtah (5)
Es gibt fünf dieser Trübungen/Tätigkeiten des Geistes. Einige sind leidvoll, andere nicht.
pramana viparyaya vikalpa nidra smritayah (6)
Diese sind Beweis/Analyse, Missverständnis, mentale Konstruktion, Dösen/ unklare Gedanken, Erinnerung.
Hinweis zur Schreibweise:
Wieder habe ich den Text stark vereinfacht und ohne diakritische Zeichen aufgeschrieben.
Wie die einzelnen Buchstaben ausgesprochen werden, entnimmst du der Audiodatei.
*Westliche Sanskrit-Kenner haben viel Zeit und Mühe darauf verwendet, exakte Übersetzungen der Yogasutrani zu erstellen. Diese sind ohne Erklärung zum Teil schwer verständlich. Deshalb habe ich freie und leichter zu verstehende Übersetzungen gewählt.
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